Civitas munita – Das Mauerrecht der
mittelalterlichen Städte
Vladimír
Rábik
Die Errichtung eines städtischen
Fortifikationssystems für Stadtsiedlungen im mittelalterlichen Ungarn wurde
schon im 14. Jahrhundert zu einem wichtigen Moment für ihre Entwicklung. Vor
allem gemauerte Stadtbefestigungen waren selbst Ende des Mittelalters noch keine
urbanistische Selbstverständlichkeit, auch nicht in der höchsten Kategorie der
königlichen (freien) und der Bergbaustädte (Bratislava (Vorburg), Banská
Štiavnica, Nitra, Trnava, Košice, Levoča und Podolínec).
Städte mit Mauern erhöhten die Wehrfähigkeit des
Landes, sie wurden zu einem wichtigen militärisch-operativen Element seiner
Sicherung. Ungarische Herrscher unterstützten ihren Bau vor allem seit der Zeit
der Anjous. Unter ihrer Regentschaft kamen neun Städte hinzu, wo mit dem Bau der
Fortifikationssicherung begonnen wurde (Kysucké Nové Mesto, Starý Tekov,
Rimavskú Sobotu, Kežmarok, Bardejov, Prešov, Skalica) und in die Zeit vor 1388
fällt auch der Bau der Befestigung der Städtchen Beckov und Nové Mesto nad
Váhom. Nicht überall handelte es sich jedoch um Vorrechte, die zur Errichtung
von gemauerten Befestigungen berechtigten.
Systematische Bestrebungen um die Sicherung der
Städte mit Mauern verbinden sich jedoch mit der Regierungszeit Sigismunds von
Luxemburg, der mit dem Kleineren Dekret von 1405 die Frage der Befestigung der
Städte als eine der Prioritäten festlegte. Unmittelbar darauf bauen die Städte
Žilina und Sabinov ihre Befestigungen. Wegen des hohen Kostenaufwands zögerten
jedoch mehrere bedeutende Städte den Bau ordentlicher Mauern lange hinaus. Eine
Änderung brachte erst die akute Gefahr von Seiten der Hussiten und der
nachfolgenden räuberischen Gruppen von Hussitenkriegern. Damals bauten sich
Krupina, Kremnica und Trenčín Fortifikationen, doch nur Kremnica besaß gemauerte
Befestigungen. Trotz der großen Bedeutung der Stadtbefestigung im Leben der
Stadtsiedlungen, sind die mittelalterlichen Schriftquellen recht karg mit
konkreteren Angaben zum bautechnischen Charakter der
Befestigungssysteme.
Die Burg Šintavský hrad – Das Schloss Sereď
auf Plänen aus dem 17. – 19. Jahrhundert
Rastislav
Petrovič
Die älteste Erwähnung der Burg Šintava stammt aus dem 12. Jahrhundert (1177). Nach
einer Beschreibung von 1423 hatte sie einen quadratischen Grundriss, und in der
Mitte stand ein Donjon. Die Grafen Thurzo bauten die Burg in eine
Renaissancefestung, die Esterházys zunächst in ein barockes, später
klassizistisches Schloss um (1841).
Der älteste bekannte Plan der Burg aus dem
Jahr 1667 entstand im Zusammenhang mit der Organisierung der Türkenabwehr in
Ungarn auf Weisung des Präsidenten des Hofkriegsrats in Wien, des Feldmarschalls
Hannibal Gonzag. Ein weiterer bekannter Plan der Burgbefestigung, französisch
beschriftet, stammt wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Er wurde für militärische Zwecke erstellt und es ist anzunehmen, dass der
unbekannte Autor ihn nach einer älteren Vorlage schuf. Zwischen den Jahren 1760 – 1770 entstand die Karte der Herrschaft Sereď
Mappa universalis totius dominii Szerediensis von einem unbekannten
Autor. Ihre Auftrageber war der Besitzer der Herrschaft Šintava, Graf Franz
Esterházy. Ein weiterer, der Plan des zum Gebrauch des Sereder Salzamts im
Jahre 1771. Pro Aerario eingelösten Terrains, stammt aus dem Jahr 1780. Auf dem Plan des dem Staat
abgetretenen Terrains für den Bau des Kaiserlich-königlichen Salzamtes in Sereď
erfasste der Autor auch ein kleines Detail der Burg, und zwar der südöstlichen
Bastion mit Wassergraben. Künstlerisch besonders eindrucksvoll ist der
Regulierungsplan der Waag (Váh) bei Sereď von 1789, der von dem Komitatsgeometer
Ingenieur František Böhm, der auch in den Diensten der Esterházys tätig war,
ausgearbeitet. Aus dem Jahr 1809 stammt der Plan von Sereď und der Umgebung der
Waag mit einer Kennzeichnung der militärisch befestigten Orte, die im
Zusammenhang mit der gegennapoleonischen Abwehr, Plan der bei Szered an der
Waag angelegten Verschanzungen im Jahre 1809, entstanden waren. Er wurde
von einem unbekannten Autor für militärische Zwecke, den Schutz des
strategischen Punktes – des Übergangs über die Waag geschaffen. Der letzte
erhaltene historische Plan ist der Plan zur
Detailbeschreibung des Brückenkopfes der Umgebung der Waag bei Sereď aus den
Jahren 1863 – 1864 (Plan zur Detailbeschreibung des einfachen Brückenkopfes
bei Szered). Den Plan erstellte Alexis Polak für den Generalstab in Wien.
Er erfasst die relativ breite Umgebung von Sereď und das Einzugsgebiet der Waag
von Šúrovce (Wartasur) bis nach Váhovce (Vágha).
Die historischen Pläne
dokumentieren aus architektonischer Sicht die schrittweise Verwandlung des
Objekts in ein Schloss, die nicht nur durch praktische Erfordernisse der
Verteidigung und des Schutzes des Gebietes, sondern auch durch
gesellschaftspolitische Veränderungen und daraus folgende Trends in der
Architektur hervorgerufen wurden.
Die Renaissancebefestigung von
Pezinok
Petra
Pospechová – Július Vavák – Peter Wittgrúber
Der Errichtung von Befestigungen mit Steinbastionen
im 17. Jahrhundert im Raum der Kleinen Karpaten spiegelt mehrere
gesellschaftliche und politische Faktoren wider. Die drohenden Ständeerhebungen
und Türkeneinfälle, die stürmische Entwicklung der Artillerie und vor allem das
wirtschaftliche und ökonomische Wachstum von Pezinok, Modra und Svätý Jur und
die damit verbundene Erteilung von Privilegien waren maßgebliche Faktoren des
Baues ihrer modernen Festungssysteme.
Das Recht bzw. die Pflicht, eine Befestigung zu errichten, wurde den
Einwohnern von Pezinok durch zwei Freibriefe aus der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts auferlegt. In dieser Zeit gipfelten die Bestrebungen der Bürger von
Pezinok, das Statut einer königlichen Freistadt zu erlangen. Die in der ersten
Phase als Wall-Graben errichtete Befestigung, friedete in der Endform den
heutigen historischen Stadtkern ein etwa in der Form eines Rechtecks mit zwei
abgeschrägten Ecken. Sie bestand aus zehn polygonalen und einer halbrunden
Bastion und drei Toren, die durch eine hohe Steinmauer mit Schießscharten
verbunden waren.
Gegenüber Modra bzw. Svätý Jur hatte die Befestigungsanlage in
Pezinok eine großzügigere Anlage, was von der stärkeren wirtschaftlichen
Stellung der hiesigen Bürger zeugte. Die Befestigungen in diesen Städten
erhielten ihre endgültige Form etwa zur gleichen Zeit und sie weisen typische
(wenngleich reduzierte) Merkmale der Renaissancefortifikationen, die in der
Slowakei schon im Laufe des 16. Jahrhunderts zur Anwendung kamen.
Die Befestigung, wie Ermittlungen der archäologischen und
Archivforschung ergaben, akzeptierte einige Elemente der modernen
Bastionenbefestigung, die meisten Elemente jedoch fehlten, was die Annahme einer
längeren erfolgreichen Verteidigung der Stadt gegen das reguläre Heer sehr
einschränkte. Die Befestigung konnte also eher zur Abwehr kleinerer Truppenteile
und plündernder Horden von Marodeuren dienen, die ein untrennbarer Bestandteil
des Militärwesens des 17. bis 18. Jahrhunderts im mitteleuropäischen Raum
waren.
Die Städte des Grantals (Pohronie) auf einer
Karte von Johann Adam Artner
Pavol
Maliniak
Im Staatlichen Zentralen Bergbauarchiv in Banská
Štiavnica wird eine Karte des Flusslaufs des Gran (Hron) zwischen Banská
Bystrica (Neusohl) und Bzenica Grund Riß deß Gran Fluß Von Neusohl an biß
Bszeniz Sambt allen darumb Ligenden Dorffschafften Und darein Fallenden Bächen
aufbewahrt. Das Werk wurde nach Angaben in der Legende von Johann Adam
Artner am 17. Juni 1734 fertiggestellt. Die Karte gehört zu den ältesten
Darstellungen des Grantals im Großmaßstab. Die Genauigkeit der Darstellung und
die Größe des Gebiets ermöglichten es dem Autor des Kartenwerks, eine große
Menge Informationen aufzunehmen. Das Werk entstand in einer Zeit, als es zu
wesentlichen Veränderungen in der Kartengestaltung kam und der Bedarf an guten
Kartenunterlagen schrittweise zu einer aktuellen gesellschaftliche Forderung
wurde.
Artners Karte stellt das aufgenommene Gebiet auf
eine spezielle Weise dar. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bestand
weiterhin die Darstellung des Landes mit dem traditionellen Zeichensystem. Den
Ausgangspunkt der Karten bildeten wichtige Wasserläufe, an die dann Städte und
Burgen anschlossen. Dieser Darstellungstechnik bedienen sich Karten kleinerer
Maßstäbe, die auch das Grangebiet einschließen. Zu dieser Kategorie kann man
auch die Karten Ungarns ordnen, deren Autoren Jacob von Sandrart (1664), Nicolas
Sanson (um 1689) und Hubert Jaillot (1696) sind.
Artners Werk stellt einen Blick auf das Grantal in
einer gestreckten Ebene dar. Das zentrale Motiv der Karte ist der Lauf des Gran
(Hron), der die Hauptachse der Region bildet. Die direkte Flusslinie verläuft
vom linken zum rechten Rand des Kartenblattes und bildet scheinbar die
Orientierung des Flusslaufs in einer einzigen, der Nord-Südrichtung. Wegen der
ausreichenden Darstellung des Flusses wuchs die Kartenlänge auf drei Meter an.
Der Kartenorientierung passte der Autor auch das Netz der Ortschaften an, denen
er in der Legende alphabetische Bezeichnungen zuordnete. Der lange und
vielgliedrige Abschnitt des Gran (Hron) zwischen Banská Bystrica (Neusohl) und
Bzenica erforderte eine leichte Korrektur des Flusslaufs und vor allem der Lage
der Ortschaften. Die Himmelsrichtungen sind nach der Kompassrose auf der Karte
in den Richtungen Nord – Süd und Ost – West ausgerichtet. Die einzelnen
Kartenteile sind in verschiedenen Winkeln gedreht. Zum Beispiel ist Banská
Bystrica auf der Karte etwa um 135 Grad nach Westen gedreht. Der eingezeichnete
Blick zeigt daher die Stadt gewissermaßen von der Südseite. Der nachfolgende
Abschnitt des Gran von Radvaň (Burgstädtl) bis nach Zvolen (Altsohl) ist um 90
Grad nach Westen gedreht.
Artner stellte vor allem die wichtigsten Orte
des aufgenommenen Gebietes detaillierter dar. Das Werk enthält Veduten der
Städte Banská Bystrica und Zvolen und Ansichten dominanter Objekte in den
Städtchen Radvaň und Svätý Kríž (Heiligenkreuz) (heute Žiar nad Hronom). Außer
den historischen deutschen Bezeichnungen der Städte, Städtchen, Burgen und
Dorfteilen passte der Autor der Karte seiner Muttersprache Deutsch auch die
Transkription der Namen der übrigen Ortschaften an. Die Terminologie
(Nomenklatur) der Karte spiegelt in der Administrative die noch nicht stabile
Verwendung der Orts- und Dorfnamen wider. Samuel Mikovíni bevorzugte bei
der Darstellung der Ortschaften im Grantal bereits slowakische
Bezeichnungen.
Der Umbau der Burg Oravský hrad durch die
Grafen Pálffy
Michal Čajka
Besitzer der Burg Oravský hrad waren die Erben der
ursprünglichen Besitztümer der Familie Thurzo. Das sogenannte Kompossessorat
Orava, dessen Direktor ebenfalls aus den Reihen der Anteilseigner gewählt wurde,
verwaltete außer dieser Burg noch weitere Gebäude und weitläufige Ländereien in
der Region. Die wirtschaftliche Haupttätigkeit war der Waldbau und der
Holzhandel. Im Jahr 1896 wurde der vierzehnte Direktor Graf Josef Pálffy (1853 –
1919), unter dem die letzte Stiländerung der Burg im Geiste der Romantik
verwirklicht wurde. Umgebaut wurde vor allem das aus der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts stammende spätgotische Corvinus-Palais und zwei Terrassen im
Oberteil des Burghofes. Das Ziel des Umbaus war es, dem Besucher einen bequemen
Zugang zum ganzen Burgkomplex zu ermöglichen und dem Areal einen repräsentativen
Rahmen zu geben. Das familiäre Umfeld ermöglichte es Pálffy, aus den praktischen
Erfahrungen mit dem Umbau der Burg im österreichischen Kreuzenstein zu schöpfen.
Der Graf entschied allein über die endgültige Form des Ganzen und der Details.
Mit einer Wandmalerei wurde im Palais lediglich der Rittersaal geschmückt. Der
Münchener Maler Maximilian Mann ließ sich bei ihrer Gestaltung durch die relativ
gut erhaltene spätgotische Wandmalerei aus der Zeit der Herrschaft Matthias
Corvinus im Wohnturm inspirieren.
Mit dem romantischen Umbau erhielt die Burg Oravský
hrad die heutige Form. Es handelte sich jedoch um keinen komplexen Umbau, wie
zum Beispiel in Bojnice (Weinitz) oder Smolenice (Smolenitz). Das Fehlen eines
Architekten ersetzte zum Teil die Kooperation des Beamten des Kompossessorats
Orava, František Fertsek, der die Projekte ausfertigte, und des Grafen Josef
Pálffy, der die resultierenden Ausführungen auswählte, beziehungsweise in die
einzelnen Lösungen eingriff.
Das Vorhaben, in diesem Stil auch die obere Burg
umzubauen, wurde nicht verwirklicht. Nach der maximalistischen Konzeption sollte
dieser Umbau die ganze Zitadelle erfassen. Sie sollte stärker hervortreten dank
eines dominanten Treppenturms, eines halbzylindrischen Turms mit Laubengang und
der sogenannten Kapelle. Dieses Objekt auf der höchsten Stelle des Burgfelsens,
das traditionell, aber unbegründet als Kapelle galt, sollte durch eine
effektvolle Treppe zugänglich gemacht werden.
Die Bratislavaer Büchsenmacher in der
Stadtsozietät
Zuzana
NemcovÁ
Anfang des 15. Jahrhundert waren
Schusswaffenhersteller selbständige spezialisierte Handwerker, die nicht nur die
Waffen herstellten, sondern ihre Qualität und Wirksamkeit auch persönlich
überprüften. In den meisten europäischen Städten arbeiteten sie in ihren eigenen
Werkstätten auf Bestellung und beschäftigten Personal. Auf dem Gebiet der
Slowakei entstanden mehrere Zentren, zum Beispiel in Košice, Spišská Nová Ves,
Gelnica, Kežmarok, Levoča und Bratislava, von wo auch die älteste Notiz über die
Tätigkeit eines Büchsenmachers auf unserem Gebiet stammt (1414).
Im Unterschied zu anderen Zentren der
Schusswaffenherstellung, wo die Büchsenmacher eigene Werkstätten besaßen,
arbeiteten die Büchsenmacher in Bratislava im 15. Jahrhundert in Räumen, die der
Stadt gehörten. Die Meister waren Angestellte der Stadt und erhielten einen
regelmäßigen Wochenlohn. Die Stadt bezahlte auch die für die Waffenherstellung
erforderlichen Rohstoffe, die Produktionsinstrumente und das Hilfspersonal. Im
Laufe des 15. Jahrhunderts arbeiteten für die Stadt 23 Büchsenmacher, viele aus
dem Ausland, wie etwa Ján aus Brno im Jahr 1434 oder Johann Frosch aus
Regensburg im Jahr 1481.
Die türkische Gefahr, die Verteidigung des
Landes und der Stadt waren auch im 16. Jahrhundert höchst aktuell. In den Jahren
1501 bis 1512 arbeiteten sechs Büchsenmacher für die Stadt. Die Höhe des Solds,
den die Stadt den Büchsenmachern während des 16. Jahrhunderts auszahlte,
unterlag erheblichen Schwankungen. Während es in den Jahren 1526 – 1527 16 Taler
waren, waren es 1535 nur noch 13 Taler. Nach 1564 kommen in den Kammerbüchern
keine den Büchsenmachermeistern ausbezahlten Posten vor. Es scheint, dass in
dieser Zeit die Büchsenmacherwerkstatt nicht mehr als städtische Einrichtung
funktionierte. Bei Tätigkeiten, verbunden mit der Wartung der Waffen ersetzte
der Waffenschmied die Büchsenmachermeister. Als die Aufträge für die Stadt nicht
mehr den Hauptinhalt ihrer Arbeit ausmachten, gründeten die Büchsenmacher 1571
eine gemeinsame Zunft mit Schlossern, Uhrmachern und Gewindeherstellern. Im 17.
Jahrhundert gliederten sich mit der zunehmenden Spezialisierung auch die
Gewehrkolbenhersteller aus und bildeten 1661 eine eigene Zunft. Bratislava wurde
im 18. Jahrhundert neben Wien zu einem bedeutenden Zentrum der Büchsenproduktion
mit einer wohldurchdachten und anerkannten Struktur der Ausbildung künftiger
Meister.
Drahtbinderei in der bildenden
Kunst
Monika
Škvarnová
Die auf dem manuellen Binden von Draht begründete
Drahtbinderei entstand wahrscheinlich vor dreihundert Jahren zur Milderung der
materiellen und existenziellen Schwierigkeiten der Einwohner der kleinen Region
an den Südhängen des Javornikgebirges (Javorníky) und Kysuce. Später verbreitete
sie sich auch in der Nordzips (severný Spiš). Mit der Zeit wurden aus den
Drahtbindern Weltenbummler. In das Blickfeld der bildenden Künstler, der
Komponisten gerieten Drahtbinder nicht nur durch ihre äußere Erscheinung, das
Wanderleben, sondern auch durch ihre Gewohnheiten, die untypische Art der
Verwendung von Draht, also Dinge, durch die sie sich deutlich von der Umgebung
abhoben. In mehreren Nachbarländern identifizierte man die Drahtbinder mit dem
slowakischen Volk, wodurch diese Handwerker zu einem seiner Symbole wurden –
zunächst im Ausland und um die Mitte des 19. Jahrhunderts auch im heimischen
Milieu.
In den Kunstsammlungen in der Slowakei befinden sich
nach unseren Informationen etwa 230 Kunstwerke mit Drahtbinderthematik. Künstler
der Zeit der nationalen Wiedergeburt hielten diese Meister für einen wichtigen
Faktor der nationalen Bewusstseinsbildung. Peter Michal Bohúň zeichnete sie in
der Kleidung in den Nationalfarben. Sie verkörpern ideale und moralisch saubere
Vertreter des Volkes.
Das Werk des zweiten des Gründerpaars der
slowakischen national orientierten Malerei, Jozef Božetech Klemens, belegt die
sich wandelnde Sozialstruktur der Drahtbinder in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Er stellt die Figuren in eine Berglandschaft, wobei dieser
Landschaftstyp in dem mit der Idee der nationalen Wiedergeburt verbundenen
Schaffen der Künstler eine tiefere Begründung hat – die natürliche Umwelt galt
als ein wichtiger Faktor bei der Formung von Wesensart und Charakteren der
Menschen und Völker.
Die Werke der Ungarn, Österreicher, Deutschen,
Engländer, Franzosen und am zahlreichsten der Tschechen zeichnen sich im
Vergleich mit den heimischen Künstlern durch eine umgekehrte Einstellung zu den
Drahtbindern aus. Sie nahmen sie fast als bizarres Thema wahr und gestalteten
sie in Genreszenen. Fremde Künstler aus der Zeit der Klassik und Romantik
idealisierten gern ihr Aussehen, was mit ihrer realistisch gezeichneten Kleidung
kontrastierte. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann man sie
realistischer darzustellen. Die Zeichnung der Klippen ihres alltäglichen
Lebenswandels gipfelt in den letzten Jahrzehnten des 19. und zu Beginn des 20.
Jahrhunderts in den Werken tschechischer Maler. In den Werken tschechischer
Provenienz dominiert das Porträt und die soziale Problematik tritt stärker in
den Vordergrund (etwa Rudolf Uherek), die Motive sind sentimentaler (Jozef
Stalmach, Mikoláš Aleš). Der soziale Akzent begleitete die authentischen Bilder
von Menschen, die am Rande der sich modernisierenden Gesellschaft stehen, um die
Wende des 19. und 20. Jahrhunderts auch im Schaffen der heimischen Künstler. Am
treffendsten repräsentieren diese Tendenz mehrere Studien von Ladislav
Medňanský.
Der Drahtbinder resonierte auch im Schaffen der
Maler der slowakischen Kunstmoderne. Zusammen mit dem Bauer, dem Hirten, dem
Holzfäller und dem Räuber nahmen sie ihn als eines der Themen wahr, durch das
sie die slowakische Eigenart darstellten und Erscheinungen kennzeichnend für den
besonderen Charakter der Volkskultur und der Geschichte unseres Landes
gestalteten. Ihr Schaffen war häufig begleitet von der Polarität des
traditionellen Themas und des modernen künstlerischen Ausdrucks. Am intensivsten
traten diese Prinzipien vor allem in den 30er und 40er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts in Erscheinung, als sich der Konflikt zwischen der bestehenden
Tradition und der sich etablierenden Modernisierung steigerte, wodurch die
Handarbeit der Drahtbinder immer weiter an den Rand des Interesses der
Gesellschaft geriet. Die Krise dieser Handwerker brachte Miloš Alexander
Bazovský auf eine besondere Weise zum Ausdruck.